Unser Schlosspark
Frösche quaken, Türkentauben gurren, Spechte hämmern. Ein Eisvogel wippt auf einem dürren Ast über dem Teich. Das grelle Kreischen der Vögel im Käfig vermischt sich mit dem Stimmengewirr von den Vögeln in Freiheit: Buchfink, Specht, Kleiber, Mönchsgrasmücke. Amsel, Meise, Spatz, Star und viele mehr flattern im Schlosspark in Steyr umher.
Es riecht nach Wald. Die unterschiedlichsten Baumarten wachsen hier: diverse Buchenarten, Lederhülsenbaum, Weide, Kastanie, Feldahorn, Esche, Schwarzkiefer, Fichte oder die Lärche, die an sich kein Stadtbaum ist, doch hier prächtig gedeiht. Mitten in der Stadt.
Sonnenanbeter strecken ihre Gesichter Richtung Himmel, Zeitungsleser genießen ihre Lektüre im Schatten. Jugendliche schwänzen Schule und Kinder üben Gleichgewicht auf ihren ersten Ausflügen am Fahrrad. Jede Stadt hat ihren Park. Er gibt den Städten Identität. Ob der Hyde Park in London, der Englische Garten in München oder der Stadtpark in Graz: Sie sind geschichtsträchtige Areale, grüne Lungen und erfrischende Oasen. Und Steyr hat seinen Schlosspark.
Auf Grundlage eines Forstprojektes der BOKU Wien sollten im Dezember 2020 rund 40 alte, große, klimaaktive und bis auf einen auch gesunde Bäume gefällt werden. 100 weitere Bäume sollten in den nächsten Jahren folgen und auch gefällt werden. Das konnte durch das im Zuge des Kampfes gegen diese Schlägerungen gegründete „Forum Schlosspark“ verhindert werden.
Eine Zeitreise durch den Park
Im Park seit dem 18. Jahrhundert: Die alte Orangerie, heute Palmenhaus genannt, wurde im Zuge der Neugestaltung des Parks nach dem Großen Brand von Steyr 1727 errichtet.
Kein Park ohne Teich.
1476 wurde der Schlosspark, früher auch als Hofgarten bekannt, als Burggarten angelegt und später als französischer Ziergarten umgestaltet.
Im März 1844 erhielt er seine heutige Gestaltung als englischer Landschaftspark.
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Dieser wurde damals als bewusstes Gegenstück zum Absolutismus und autoritären Feudalismus, repräsentiert durch den französischen Park, errichtet.
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Ebenfalls bei der Neugestaltung des Parks 1770 erbaut: Der Wasserturm.
Seit Jahrzehnten geht hier fast niemand vorbei:
das Vogelhaus.
Seit den 1970er Jahren, ein genaues Datum ist uns nicht bekannt, dürfen auch Kinder im Schlosspark spielen.
So richtig frei zugänglich für alle wurde der Park erst vor rund 75 Jahren, ein erster Schritt dazu erfolgte bereits am 23. Juli 1919 in der 1. Republik.
1687 stand an dieser Stelle ein prächtiges Gartenhaus. Es wurde beim Großen Brand von Steyr 1727 völlig zerstört und durch den Rokoko-Pavillon, wie man ihn seither kennt, ersetzt.
Ebenso errichtet wurde in dieser Zeit die Johann-Nepomuk-Kapelle, die heute neben dem Schlosspark am Wegesrand steht.
Dreifaltigkeitssäule, 19. Jahrhundert.
Stille Zeugen des Wandels seit rund 100 Jahren.
Das Forum Schlosspark setzt sich dafür ein, dass der Park nicht wie ein Nutzwald, sondern als ganzes als Denkmal behandelt wird, samt seiner alten Bäume.
Die geplante Fällung von 40 Bäumen im Schlosspark wie im Forstprojekt der BOKU vorgesehen, wurde abgesagt. Sieben Bäume wurden im Jänner trotzdem gefällt, davon waren sechs gesund. Maximal eine Handvoll Bäume soll laut Vizebürgermeister Vogl heuer laut Medienbericht noch folgen, sollte Gefahr in Verzug sein.
Doch wann ist Gefahr in Verzug? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Denn von den sieben bereits gefällten Bäumen war nur einer tatsächlich krank, an den Schnittflächen war deutlich zu erkennen, dass die anderen sechs Bäume ganz gesunde Buchen waren, zum Teil rund hundert Jahre alt. Und wie von Linzer Baumexperten Marcus Geyer-Grois bei einem Lokalaugenschein im Schlosspark zu erfahren war, gibt es anders als im Forstgutachten der Boku bezüglich des Zustands der Bäume im Park keine Gefahr in Verzug.
Jahr um Jahr werden sie weniger. Es fehlt leider die Lobby. In Steyr werden jedes Jahr große, wunderschöne Bäume gefällt, nicht nur im Schlosspark. Eine Baumschutzverordnung wie in Wien, Salzburg oder Graz bereits umgesetzt wurde, das wäre ein riesen Schritt in die richtige Richtung zum Schutz alter Bäume. Und eine sachkundige Pflege des Altbaumbestandes, um Verstümmelung von Bäumen wie auf der Promenade künftig zu verhindern wäre ebenso wichtig. Dort wurden die Bäume zu Tode gepflegt, Pilzbefall und Fäulnis setzten ihnen nun zu.
Stadtteil Schlosspark?
Gerade alte Bäume sind für ein angenehmes Klima und Mikroklima in einer Stadt in der Sommerhitze unverzichtbar. Das Wissen über diese Tatsache ist bei Politik und Stadtverwaltung angekommen.
Diesen Aspekt betont auch der renommierte österreichische Landschaftsarchitekt Dr. DI Alfred Benesch. In seinem Vortrag im Steyrer Rathaus vor Beamtenschaft und Politik im März 2021 ließ er mit dem Vorschlag, Schlosspark und Promenade mögen wie ein eigener Stadtteil betrachtet werden, aufhorchen.
Dr. DI Alfred Benesch ist ein international renommierter Landschaftsarchitekt mit dem Schwerpunkt auf historische Parkanlagen und Gärten. Nach seiner ersten Bestandsaufnahme des Schlossparks betonte er die Notwendigkeit einer behutsamen und zeitgemäßen Adaptierung des Parks unter Beteiligung der Bewohner Steyrs, welcher der Anlage und seiner kulturhistorischen Bedeutung gerecht wird. Dafür setzte sich das Forum ein. Benesch wurde daher im Juni 2021 eingeladen, über die bedeutsame Geschichte und die Entwicklungschancen des Parks zu sprechen und im Anschluss auch der Diskussionsrunde über die möglichen Zukunftsvarianten des Schlossparksund seiner Umgebung beiwohnen.
Es gebe im Schlosspark vieles, von denen man gar nicht wisse, dass sie da sind, betonte Benesch in seinem Vortrag. Es bedürfe daher einer Grundlagenforschung zum Park. In seinem Vortrag zeichnete er die bewegte Geschichte des Parks über die Jahrhunderte hinweg in Grundzügen nach. Mittels alter Pläne, Stiche und Fotografien wurde die Zeit nach seiner Gründung im 15. Jahrhundert, seiner Funktion als Repräsentationsobjekt, der Wandel vom barocken Park zum englischen Landschaftsgarten bis hin zum Öffnung des Parks im 20. Jahrhundert veranschaulicht.
Bedeutende Quellen waren außerdem die Bauten, die heute noch zu sehen sind: angefangen von der alten Parkmauer über die alten Wirtschaftsgebäude an der Promenade bis hin zu Pavillon und Orangerie und dem alten barocken Wasserturm. Aber auch die vielen alten Bäume und die Struktur, die Wege, das Wäldchen, das in Ansätzen noch den englischen Landschaftspark zeigt, sind für die Erforschung des Parks wichtig.
Der Park hat vieles und kann vieles. In der anschließenden Diskussion wurde klar, wie vielschichtig der Steyrer Schlosspark genutzt wird: als Sportarena, Kinderspielplatz, Hundezone, Gärtnerei oder Erholungsoase. Die einen haben die ganze Jugend in ihm verbracht, für andere ist er Transitraum zur Arbeit, Radroute, Ruhezone, Kraftquelle. Und andere schätzen wiederum das Gefühl des Waldes im Park.
Mit dem Schlosspark behutsam umzugehen und nicht noch mehr alte Bäume zu fällen, war ein mehrmals geäußerter zentraler Wunsch aus dem Publikum. Auch hätten manche gerne, dass alles so bleibt, wie es ist. Landschaftsarchitekt Benesch dazu: Bei einer Weiterentwicklung des Schlossparks gehe es nicht um einen Rückbau zum barocken Park oder zum Englischen Landschaftsgarten. Vielmehr müssten Möglichkeitsräume geschaffen werden, „dass sich etwas entwickelt, dass sich auch in Zukunft etwas darin entwickeln kann“, dass der Park zeitgemäß weiterentwickelt werde. Er soll auch weiterhin ein Geschichte erzählen, die dem Zusammenspiel aus gewachsener Natur, aus Bodenrelief, den baulichen Elementen und dem Wasser gerecht wird: Denn sie bilden eine gestalterische Einheit, die nicht auseinandergerissen werden sollte.
Auch die Rolle des Parks in Zeiten des Klimawandels wurde im Laufe des Abends immer wieder betont, wie auch die Notwendigkeit des Umdenkens im gesamten Stadtgebiet. Außerdem kam die Frage auf, was mit dem brachliegendes grünen Areal gleich außerhalb des Parks beim Wasserturm geschehen werde. Könnte dieses in eine Weiterentwicklung miteingebaut werden? Oder stehen bereits Bebauungspläne fest?
Wie auch immer die Zukunft des Schlossparks aussehen wird: Fest steht, dass ein Park hohe Anforderungen an Verwaltung und Pfleger stellt. In Zeiten des Klimawandels kommen neue hinzu, man muss sich damit auseinandersetzen. Das Forum Schlosspark appellierte zum Schluss der Veranstaltung daher an die Politik, den erfahrenen Landschaftsarchitekten Benesch mit einem Leitbild für die weitere Entwicklung zu beauftragen.
Und das neue Jahr brachte einer mehr als erfreuliche Entwicklung: Im Februar wird der Stadtsenat Dr. DI Benesch damit beauftragen. Wir bleiben natürlich weiter dran. :o)